Mittwoch, 19. Februar 2014

Think Pink. Drink Pink: Ein Abfallprodukt aus Rotweinproduktion?

Mein erster Wein war ein Rosé. Ich weiß es noch ganz genau. Es war Anfang der achtziger Jahre. Wein gab es damals im Supermarkt entweder in der Doppelliter-Flasche oder im Tetra-Pack. Selten gab es Wein in normalen Flaschen. Das war dann ein besonderer Wein. Mein Rosé war von Willi Bründlmayer, einem österreichischen Spitzenwinzer. Ich trank ihn in einem Restaurant, in das ich zum Abschluss meiner Ausbildung eingeladen wurde. Der Wein schwappte in einer eleganten, halbleeren Flasche. Und er ließ ein schönes, nicht zu dunkles Lachsrosa durch das Glas schimmern.
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Bründlmayer keltert seinen einzigen Rosé seit jeher aus Zweigelttrauben, da diese auch in mittleren und schwachen Jahren eine überdurchschnittliche Fruchtigkeit abgeben. Mein erster Rosé war also ein kräftig-eleganter Wein. Und ich hatte gleich alles richtig gemacht. Ich hatte einen Rosé zu meinem Lieblingswein erklärt, der aus Trauben gepresst wurde, Trauben, die extra für einen Rosewein angepflanzt wurden. Das ist nicht selbstverständlich.

Denn noch immer entsteht der größte Teil aller weltweit fabrizierten Roséweine als "Abfallprodukt" der Rotweinproduktion. Teile des Rotweinmostes werden ohne Pressung aus der Gärung genommen und als (oft sehr heller) Roséwein vinifiziert. Diese Methode ist in Frankreich weit verbreitet und trägt den Namen "Saignée". Leider muss das auf der Flasche nicht angeführt werden. Saignée-Weine sind dünnflüssige Langeweiler, die man besser machen könnte, wenn man wollte. Für viele Winzer aber sind sie schnelles und unkompliziertes Geld. Sommerlimonade mit Alkohol. Sonst nichts.

Die Saignées sind das größte Problem der Roséweine, denn sie geben den Anschein, dass Rosé kein ernsthafter Wein sein kann. Das andere Problem ist, dass die teuersten Roséweine der Welt, jene der Domaines Ott aus der Provence, bestenfalls mittelmäßige Kreszenzen sind. Viele weit günstigere Roséweine aus Deutschland (zum Beispiel der Spätburgunder-Rosé "Gips" von Gerhard Aldinger aus Württemberg) entpuppen sich in Querverkostungen als haushoch überlegen. Trotzdem behaupten die Domaines Ott weiterhin den Premiummarkt der Roséweine. Das alleine, weil sie genügend Flaschen produzieren, und damit die ganze Welt bedienen.

Warum Roséwein in Mode kam? Nun, darüber kann man nur mutmaßen. Manche sagen, mit dem Aufstieg der Rosé-Champagner kam auch der gleichfarbige Wein vermehrt unter die Leute. Vor allem in Russland und den neuen Schwellenländern gilt Roséwein als Getränk sozialer Aufsteiger. Die meisten Roséweine kommen immer noch aus Südfrankreich, traditionell ein Lieblingsgebiet reicher Russen.

Viele Weinenthusiasten wollen Roséweine immer noch nicht als gleichwertig anerkennen, denn Rot- und Weißweine beweisen in ihren Augen eine viel größere Vielfalt und Bandbreite. Das Spezifische der Traubensorte bleibt zwar in jedem Roséwein erhalten, doch lassen sich längst nicht alle Rotweintrauben befriedigend zu Rosé verarbeiten. Zudem erhält man für gut ausgebaute Rotweine wesentlich mehr Geld. Deswegen beschäftigt sich kaum ein Winzer von Rang und Namen ernsthaft mit dem Thema Roséwein. Und so wird es auch bleiben.

Dabei fasst Roséwein alles zusammen, was viele gute Weine ausmacht. Er ist zur einen Hälfte oft ein frischfruchtiger Rotwein, zur anderen Hälfte ein mitunter auch trocken-mineralischer Weißwein. In dieser populistischen Vielfalt wird er zum idealen Begleiter der modernen Fisch- und Gemüseküche. Das reicht für viele Weintrinker aus, keinen anderen Wein mehr zu trinken. Deswegen wird die Fangemeinde des Rosé noch wachsen.
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Ich empfehle zum Einstieg in die Welt der Roséweine den hellen aber sehr kräftigen Rosé aus Blaufränkisch (Lemberger) und Syrah von Thomas Schwarz (Kloster am Spitz) aus dem Burgendland in Österreich.

Oder den Rosé von Chateau Marouine aus den Côtes de Provence. Diesen Biowein aus Grenache, Cinsault und Mouvedre bekommt man nur ab Weingut. Der Wein verbindet Erde und Frucht und schmeckt nach Stachelbeere, Ribisel und Himbeere. Dazu kommt eine leichte, fast beiläufig hingeworfene Eleganz, die dem geringen Holzeinsatz geschuldet ist.

Wenn man da bloß weitermachen würde, die Schrauben etwas anziehen würde, dann könnte irgendwann auch einmal ein Rosé dabei rauskommen, der die Welt verblüfft. Aber so wird es wohl nicht kommen. (cptn.cork - manfred.klimek)

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Weintipps und mehr vom Captain gibt es täglich auf: www.captaincork.com

Hier gibt es eine Leseprobe

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